Da Vinci, Da Schminci
Tom Hanks war in Geldnöten. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass sich der Mime für so einen hollywoodmäßigen Mainstreamschmonzes wie „The Da Vinci Code“ hingegeben hat. Mit einer betont wuscheligen Frisur und zwei Zentnern Schminke auf 10 Jahre jünger getrimmt, spielt er sich an der Seite von Jean Reno, der zu Recht unbekannten Audrey Tautou und weiterer zweitklassiger Schauspielerdarsteller durch die Verfilmung des populistischen Reißers aus der Dan Brownschen Schreibfabrik.
Das Zelluloidmachwerk steht dem schwergewichtigen Stück pseudointellektuellen Spannungslesestoffs in Peinlichkeit nichts nach. War der Sprach-Schmerzfaktor beim Lesen schon recht hoch - wieso coden französische Museumsdirektoren und Da Vinci himself auf Englisch? -, so wird in der deutschen Synchronisation dank des penetranten „französischen“ Akzents, mit dem die entsprechenden Darsteller vertont werden, die babylonische Sprachverwirrung auf die Spitze getrieben. Irgendwann verliert selbst der Requisiteur den Überblick und lässt Langdon in einem Auto mit Linkssteuerung eine englische Kirche ansteuern, in der das Pre-Finale stattfindet.
Dazu fiedelt und schrammelt ununterbrochen die orchestral-bombastische Filmmusik, in der Hoffnung, so die mysteriöse bzw. sakrale Stimmung zu erzeugen, die mit Totalen und Touristenmotiven des Louvres sowie der schönsten Kirchen und Schlösser Frankreichs und Großbritanniens sich allein nicht erzeugen lässt - so viel scheint immerhin der Regisseur auch begriffen zu haben. Ob allerdings ein hyperaktives Filmorchester das Patentrezept gegen einfallslose Kameraführung und platte Effekte darstellt, darf bezweifelt werden.
Zunächst ist die Verfilmung recht werkgetreu. Langdon (Hanks) hält einen Vortrag über Symbole und deren Bedeutung; ohne sprachlich darauf einzugehen (zumindest in der synchronisierten Fassung) huschen Swastikas im Hintergrund vorbei, mal altertümlich, mal leider etwas neuer. Das Publikum geht - vollkommen unrealistisch - spontan auf die Einladungen zur Dechiffrierung der auf einer Rückwandprojektionsleinwand dargestellten Bilder (immerhin nicht Powerpoint, nebenbei bemerkt) ein, um sich dabei jedes mal natürlich voll in die Nesseln zu setzen. Beim Signieren seines Buches (und nicht aus dem Hotelzimmer wie in der Vorlage) wird er dann von der französischen Polizei in den Louvre beordert, wobei der Agent vor den Augen von ca. 50 Signieranwärtern mit dem Foto der bewussten blutigen Leiche herumwedelt. In Frankreich herrschen eben rauhere Sitten.
Immer wieder beeindruckend ist es auch, dass Hollywood-Produzenten bzw. -Regisseure offensichtlich immer noch der Meinung sind, dass Computer piepen müssten, jeden Tastenanschlag und jede auf den Bildschirm produzierte Zeile mit einem Geräusch wie ein Neun-Nadel-Drucker auf Speed untermalen. Ganz neu ist, dass auch SonyEricson-Taschentelefone dies tun, wenn sie das Ergebnis irgendeiner fiktiven Suchmaschine (deren Namen ich leider schon wieder vergessen habe) in sensationeller Geschwindigkeit ausspucken. Interessant ist auch, dass der Angestellte der Pariser Filiale der Schweizer Bank, zu der Langdon und Neveu von einem Schließfachschlüssel geführt werden, in seiner Nachtschicht nichts besseres zu tun hat, als auf einer englischsprachigen „Most Wanted Criminals“-Seite herumzusurfen und geistesgegenwärtig auf „Aktualisieren“ zu klicken, so dass die Konterfeie unserer beiden Helden prompt auf den Schirm ploppen (allerdings ohne Piepen, diesmal).
Das Paar irrt durch diverse Kirchen, unterstützt bzw. verfolgt von unrasierten englischen Adligen, sich selbst geißelnden Albinokillermönchen und tuckigen französischen Butlern. Rückblenden in die Vergangenheit werden, damit das dem erwartbar verblödeten Publikum gleich deutlich wird, in kriseligem Monochrom dargestellt, und wenn über Symbole in einer Art doziert wird, dass man das Papier rascheln hört - kein Mensch redet so wie Langdon und Konsorten, wenn sie über Symbole schwafeln -, wird das Erklärte wie bei der Sendung mit der Maus natürlich extra hervorgehoben, dargestellt, ausgeleuchtet. Schließlich haben die Zuschauer vor Betreten des Kinosaals ihr Gehirn, sofern vorhanden, an der Garderobe abgegeben, da muss mann den komplizierten Stoff natürlich mit dem Holzhammer einbläuen. Nürberger Trichter wahhaftig nichts dagegen.
Das Finale: Hier wird's verraten. Na, geklickt? So ein Mist, nun ist doch die ganze Spannung raus, und wenn Sie jetzt nicht mehr in den Film reingehen, dann sehen Sie gar nicht, wie das Ende vollkommen verbogen wurde, um sich ja nicht zu sehr mit der Kirche anzulegen. Langding... Langdon sülzt die Sakrileg brechenden Verwandschaftsverhältnisse schön und sinkt zum Gebet nieder, als ihm der Kronleuchter aufgeht, wo der Mariasarg verbuddelt worden ist. Opus Dei ist ja auch nur eine ganz, ganz schlimme Sekte, die mit der normalen Kirche gar nichts zu tun hat. Das dürfte selbst die Katholschen versöhnen, die in Figur fanatischer Kardinäle und sonstiger Frömmelfunktionäre zuvor gar nicht gut weggekommen ist.
Und wegen dieses Mistfilmes habe ich nun das Hauptbahnhofsfeuerwerk verpasst. Das wäre sicherlich unterhaltsamer gewesen als 149 Minuten lang einer gramvolen Gralssuche beiwohnen zu müssen. Andererseits: wie tief kann eine Stadt bzw. ein Staat eigentlich sinken, wenn die Eröffnungszeremonie des GRÖBAZ (Größten Bahnhofs Aller Zeiten) vom UMAZ (Unfähigsten Moderator Aller Zeiten) Cherno Jobatey ruiniert wird und zur Feier des Tages BAP aufspielt? Na, anyway. „The Da Vinci Code“ darf man jedenfalls getrost versäumen.