Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse
Dienstag, 29. Juni 2021

20 Jahre Antville... Die Nacht der lebenden Toten

Nun gut. Mit dieser Überschrift mache ich mich gewiss nicht beliebt. Antville feiert gerade 20-jähtiges Bestehen, das ist in Internet-Maßstäben natürlich schon eine Größenordnung. Nicht viele Webseiten und Plattformen, insbesondere idealistische und unkommerzielle, haben solch ein digitalbiblisches Alter erreicht.

Die Antville-Startseite zelebriert den Retro-Look und spult wohl historisch korrekt die Verlinkungen zu den ersten eingerichteten Blogs herunter. Das ist zwar einerseits nicht uninterssant, andererseits aber doch etwas verwirrend, weil dort die tatsächlich noch lebenden und mit frischen Beiträgen bestückten Blogs nicht erscheinen, hingegen dort nach und nach Blogs aufploppen, die dann bis 2004 oder so beschickt wurden und dann dem Vergessen anheim gefallen sind.

Ich nehme mich da übrigens keinesfalls aus. Das "Universaldilettant"-Blog gibt es formal auch schon seit ich weiß nicht wie lange, aber meistens hat es dann doch eher in einem Dämmerzustand vor sich hin existiert, als tatsächlich genutzt zu werden.

Ich gebe zu, ich bin sozusagen wenn überhaupt ein Strohfeuerblogger. Immer gibt es mal Phasen, die Wochen oder Tage anhalten, wo ich mir denke, Mensch, Du hast doch ein Blog, also poste da mal was. Und dann poste ich was und das ist entweder im Nachhinein betrachtet niveau- und belangloses Gewäsch, für das ich mich dann selbst schäme, oder es interessiert sowieso niemanden oder beides zusammen. Und dann hört's halt auch ganz schnell wieder auf mit der Bloggerei.

Erschwerdend kommt allerdings auch hinzu, dass Antville - bei aller Liebe - vom User Interface und der Usabilty euphemistisch gesprochen etwas aus der Zeit gefallen ist und es einem auch nicht immer leicht macht. Denkpausen, verlorene Beiträge, unerwartete Cursorsprünge, Rührmichnichtan-Templatesprache - all das wirken auch nicht direkt motivationsfördernd.

Wobei das natürlich auch zumindest für mich eine bequeme Ausrede ist. Ich bin auch bei Tumblr - nicht - aktiv und ich habe als (au Weia) tatsächlich hauptberuflicher und selbständiger Webdesigner und zu allem Überfluss auch noch Projektverantwortlicher eines Open-Source-CMS wohl so ziemlich alle Möglichkeiten, supertollen Content zu publizieren, und ich nutze sie nicht.

Schuld eigene! Denn um Content zu publizieren, muss man was zu erzählen haben, und wer wie ich seit je her von zuhause arbeitet und schon vor Corona das Sozialleben eines Eremiten zelebriert hat und sowieso nirgends so richtig dazu gehört, sondern bestenfalls geduldet wird, hat dann natürlich entsprechend wenig, worüber zu erzählen lohnen würde.

Tja, so ist das. Ab und zu poste ich Fotos bei MdMwmT und MKS und auch nebenan in den Fotoblogs auf blogger.de, und letztes Jahr habe ich Antville vom Spam befreit (lösch, lösch, sperr, sperr), aber ansonsten wird wohl meine hiesige Aktivität auch weiterhin auf den einen oder anderen Anstandsquartalpost beschränkt sein.

Also dann, möge Antville noch ein paar weitere Jahre vor sich hin existieren.

Samstag, 10. April 2021

Polit-Klimbim

Das gesellige Beisammensein unserer Königin und der regionalen Lords und Ladies ist abgesagt worden - keine pseudoaktivistische Ministerpräsidyskonferenz am Montag, kein dramatisches Ringen um Kompromisse, die zwei Tage später entweder von der Königin selbst oder den Gerichten kassiert werden oder den subalternen Regionalfürstys am Arsch vorbei gehen. Stattdessen eine windelweiche Absichtserklärung, mehr Kompetenzen auf Bundesebene bündeln zu wollen - klar, dass Verschwörungstheoretys da von "Ermächtigungsgesetz" raunen und ebenso klar, dass das spätestens vom BVerfG einkassiert wird, weil aus Gründen™. Danke für nichts, Re(a)gierung, danke für nichts. "Bundesnotbremse" my ass. Vollpfosten!

Gendern nach Phettberg

Die Überschrift klingt nach irgend etwas Albernen, aber tatsächlich geht es um einen ernsthaften Ansatz, die Sprache geschlechtergerecht bzw. -neutral zu gestalten – ohne mit Binnen-Majuskeln, Unterstrichen, Sternchen oder Doppelpunkten jonglieren zu müssen oder unschöne Passivkonstrukte (Fahrradfahrende, Studierende) bemühen zu müssen.

Tatsächlich hat der österreichische Aktionskünstler Hermes Phettberg wohl schon in den 90er Jahren in seinen Texten das Gendern mit y eingeführt. Und aus irgendwelchen Gründen wird das gerade quer durch die Medien gereicht, wohl als "buntes Thema" als Abwechslung zur ewig gleichen Berichterstattung über das hiesige Corona-Desaster.

Worum geht es bzw. wie geht es? Ganz einfach.

  • Statt "Der Nutzer / Die Nutzerin" sagt und schreibt man "Das Nutzy".
  • Plural: "Die Nutzys". (Also nicht wie im Englischen das y durch ie ersetzen.) Weitere Beispiele:
  • Wer treibt sich an Hochschulen herum? Studys.
  • Wer ist auf den Straßen unterwegs? Autofahrys, Radfahrys und Fußgängys.

Kein Witz, nach allen :- und *- und _- und ~enden-Bemühungen finde ich das Phettbergsche Gendern extrem sympathisch und werde dies, wann immer ich daran denke, zukünftig verwenden.

Dienstag, 6. April 2021

Onleihen und Onlesen

Ein eBook-Reader ist eigentlich eine feine Sache. Man hat ein handliches Stück Technik mit augenfreundlichem eInk-Display in Taschenbuchgröße, so dass selbst die Lektüre von mehrhundertseitigen Phantasyschmonzetten nicht mehr in Gewichtheben ausartet. Noch besser ist: das eBook erspart den Gang in die Bibliothek - dank "Onleihe": Etliche tausend Titel, von der Liebesschnulze bis zur Weltliteratur, vom Kochbuch bis zum Lebensratgeber, stehen zum sehr überschaubaren Preis der Jahresmitgliedschaftsgebühr der örtlichen Bücherei zur Verfügung. Allein: wo kämen wir bzw. die armen Verlage denn hin, wenn das alles so einfach wäre. Zum einen sind natürlich längst nicht alle Druckwerke in der Onleihe verfügbar, gerade Bestseller und Neuerscheinungen sucht man oft vergebens bzw. diese stehen nur in wenigen Exemplaren bereit. Moment, "wenige Exemplare"? Ja, ganz genau: Die eBooks sind kopiergeschützt und die Anzahl der verfügbaren Lizenzen begrenzt. Genau wie in der Real-Live-Bibliothek gilt: was der eine ausgeliehen hat, kann der nächste nicht ausleihen, sondern muss warten, bis das Buch zurückgegeben wurde. Zum anderen ist die Technik euphemistisch ausgedrückt haklig. Längst nicht jeder eBook-Reader kann für Online-Bibliotheken genutzt werden, und selbst mit den Modellen, die angeblich das komplizierte Procedere des Herunterladens und Lizenzierens (mittels Adobe-ID) beherrschen, läuft nicht alles rund. Davon zeugen nicht zuletzt ellenlange Support-Threads im Onleihe-Forum.

Und nun stelle man sich vor, man säße mit einem (Papier-)Buch auf dem Sofa, läse so vor sich her, und irgendwann - vielleicht nach zwanzig Minuten, vielleicht nach zwei Stunden - käme irgendwer ins Zimmer gestürmt, schlüge Dir das Buch aus der Hand, träte noch einmal drauf und verschwände wortlos wieder. Genau so ist es nämlich ums Lese-"Vergnügen" mit dem Tolino Page bestellt: aus heiterem Himmel stürzt die Lese-App ab, meldet schnöde "Ein Fehler ist aufgetreten" und vergisst natürlich auch die Seite, auf der man zuvor gewesen ist. Das ist mir nicht einmal passiert und auch nicht zweimal sondern nahezu bei jedem "ongeliehenem" Buch. Die alternative Lese-App im Betastadium stürzt zwar nicht ab, mag aber längst nicht jedes Buch öffnen und unterschlägt beim Seitenwechsel gern mal mehrere Zeilen oder auch ganze Absätze. Das vom Hersteller versprochene "Leseerlebnis" ist also auch da ein recht spezielles Vergügen. Mein bisheriges Lesegerät ist denn auch nur sehr knapp dem Schicksal entronnen, unter eine Dampfwalze geschleudert, in ein Thermit-Becken versenkt oder in die Mikrowelle gesteckt zu werden. (Hauptsächlich deshalb, weil keine Dampfwalze und kein Thermitbecken verfügbar sind und ich das Mistding vielleicht noch auf Ebay für einen Euro verschrottrolfe.)

Nun gibt es ja auch noch eine "Onleihe"-App, die auf normalen Smartphones und Tablets läuft. Allerdings kann sich diese im App-Store gerade einmal knapp 2 von 5 mögliche Sterne an die Datenbrust heften. Die Entwickler scheinen - leider erfolgreich - versucht zu haben, die Nachteile des Lesens von Papierbüchern mit den Nachteilen des Lesens am Monitor zu kombinieren: keine Kapitelnavigation, keine Möglichkeit, die Schriftgröße einzustellen, kein gar nichts - einfach nur die (Doppel-)Seite lieblos aufs Display geklatscht. Thanks, but no thanks.

Long terms short: Ein neuer Reader musste her, und es ist der PocketBook Touch Lux 5 für 120 € inkl. Pseudolederhülle geworden - mit Touchscreen, Blättertasten, Beleuchtung und einer Lese-App, die zumindest bislang noch nicht zu größeren Frusterlebnissen geführt hat. Vielleicht wird es also doch noch was mit der Digitalisierung des Lesekonsums.

Freitag, 2. April 2021
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