Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse
Sonntag, 27. November 2005

Blacksad: Rote Seele

© Carlsen Verlag
"Rote Seele" ist der dritte Band der Blacksad-Reihe von Juan Díaz Canales (Szenario) und Juanjo Guarnido (Text und Farben). Wie bereits in den vorhergehenden Bänden spielt die Geschichte irgendwann in den 1940er Jahren in den USA; die Qualität der Zeichnungen ist Ehrfurcht gebietend. Wer nicht mindestens zwei Stunden mit der Lektüre des 56-seitigen Albums beschäftigt ist, muss als Banause gelten.

Wie es in Comics gern gemacht wird, sind die Darsteller Tiere - wenngleich zu dem plumpen schwarznasigen vierfingrigem Bestarium aus den Federn von Disney & Co. ein himmel-, ach was: universumweiter Unterschied besteht. Körperliche und (vorgebliche) charakteristische Merkmale des Tieres, das für die jeweilige Gestalt als Vorbild diente, fließen in das Agieren der Figur ein, jedoch gelingt es Guarnido zugleich, so viel menschliche Emotionen in die Tiergesichter zu bringen, dass es oft genug keine Sprechblasen braucht, um die Handlung auszudrücken.

Titelheld ist John Blacksad, Privatdetektiv mit dunkler Vergangenheit, ein melancholischer Zyniker und ausnehmend gut aussehender schwarzer Kater, der schnell denkt, hart zuschlägt, aber letzten Endes doch auch ein verdammt weiches Herz hat.

Band 1 ("Irgendwo zwischen den Schatten) ist eine klassische Detektivstory mit starken Anlehnungen an den Film Noir, Band 2 ("Arctic Nation") thematisiert Rassenunruhen. Im nunmehr vorliegenden dritten Band geht es um einen aus Deutschland emigrierten Atomphysiker (Otto Liebber), der zu den "12 Aposteln" des Philantrophen und Millionärs Samuel Gotfield gehört. Gotfield und seine Protegés, zu denen so genannte "unbequeme" Künstler und Wissenschaftler zählen, geraten jedoch ins Visier des Senators Gallo, der McCarthy-artig eine Hetzjagd auf Kommunisten und alles, was er sonst noch dafür hält, veranstaltet. Blacksad gerät eher zufällig zwischen die Fronten und hat alle Hände voll zu tun, seinen Freund Liebber, der wohl zeitweise eine Art Vaterfigur für ihn war, das Leben zu retten.

Nun sind die Geschichten in Comics meistens konstruiert, und kaum jemand wird ein Fünkchen Realität in Superheldencomics erwarten. Wer jedoch wie Canales und Guarnido mit den ersten beiden brillanten Bänden sich selbst die Latte so hoch gehängt hat, wird schon fast zwangsläufig Opfer des Sequel-Phänomens, dass eine Fortsetzung schlechter sein muss als die vorherigen Episoden, die ihrerseits nicht mehr zu toppen sind. Der historische Background (siehe Wikipedia: McCarthy-Ära) mag stimmen, aber unterirdische Kommandozentralen, durchdrehende Millionäre und hin- und herkonvertierende, von Zweifeln zerfressene Wissenschaftler sollten doch lieber bleiben, wo sie herkommen: in B-Movies aus den Sechzigern, Agentenromanen oder eben Superheldencomics.

Bleibt zu hoffen, dass der nächste Band weniger Verschwörungsgeschwurbel enthält. Den die Grundidee der Detektivstoryadaption ist genial, und auch in "Rote Seele" sucht die künstlerische Qualität ihresgleichen.

Canales, Juan Díaz / Guarnido, Juanjo (2005): Blacksad. Rote Seele. Hamburg: Carlsen. 56 Seiten. 16,00 €.

"Genau betrachtet, müssten Handschuhe doch eigentlich Handsocken heißen."

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