Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse
Samstag, 7. Januar 2006

Uns geht es noch viel zu gut, oder: werden wir so Weltmeister?

Die zum Metro-Konzern gehörende Warenhaus-Kette „Kaufhof“ wächst und gedeiht, war verschiedentlich zu lesen. Man gönnt sich auf dem Alexanderplatz eine schicke Verkaufsflächenerweiterung, erfreut die Aktionäre mit üppigen Dividenden und ist alles in allem recht selbsgefällig.

Samstag, 07.01.06, kurz nach Ladenöffnung um 09.00 Uhr. Ich begebe mich zielstrebig in die EDV-Abteilung, in der festen Absicht, 999 Euro für einen neuen PC auszugeben. Ein kaufhoffracktragender Mann ist dabei, die ausgestellten Notebooks anzuschalten. Er hält dies für wichtiger, als sich danach zu erkunden, ob man mir weiter helfen könne. Nun ja. Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner. „Guten Morgen“, sage ich zu der Rückseite des Herrn. Die Rückseite verwandelt sich in eine Vorderseite. „Ich möchte entweder den „Deutschland-PC“ [blöder Name, aber das Ding heißt wirklich so] oder den HP-Desktop dahinten kaufen.“ - „Aha.“

Offensichtlich ist es ganz alltäglich, 1000 Euro Umsatz zu generieren. Ich bin etwas konsterniert ob der nicht wirklich euphorischen oder gar dienstbeflissenen Reaktion des Kaufhof-Mitarbeiters. Egal, weiter im Text. Schließlich kenne ich die Berliner Grumpfigkeit zur Genüge. „Welcher von denen ist denn leiser?“ - „Woher soll ich das wissen?“ Rumms, das saß. Ich kante zurück: „Verstehe, Sie sind hier nur für das Notebookeinschalten zuständig?“ - „Das habe ich so nicht gesagt.“, Ok, letzter Versuch. „So wie ich das sehe, ist der einzige Unterschied zwischen den PCs, dass beim HP so ein Personal Media Dock eingebaut ist und beim Deutschland-PC eine TV-Tuner-Karte, ist das richtig?“ - „Keine Ahnung,“ blafft der Nicht-Verkäufer, „ich bin aus der Fotoabteilung.“

Letzteres im Brustton der Überzeugung, dass die Fotoabteilung etwas besseres sei als die EDV-Abteilung, und das man ihm es wohl ansehen müsste, dass er in den Niederungen der PC-Kommunikation nur Gast ist. „Das kann ich doch nicht wissen!“ rufe ich fassungslos. „Wissen Sie was“, sage ich zu ihm, „ich kaufe meinen PC woanders.“ Eine weitere Unflätigkeit am frühen Morgen brauche ich nicht und vollziehe eine Hackenkehrtwendung - ab zu Saturn. Gehört zwar auch zur selben Schweinebande, aber die Sippenhaft ist ja abgeschafft.

Da es noch früh am Morgen ist, herrschen noch nicht die sonst ortsüblichen chaotischen Zustände vor, bei denen das Ergattern eines Fachverkäufers nur unter Ellenbogeneinsatz möglich ist. Saturn hat auch irgendwann mal erkannt, dass die dortige PC-Abteilung mit fünf Mitarbeitern keinesfalls überbelegt ist. Die stehen in trauter Runde und ratschen. Ich schmettere ein weiteres „Guten Morgen“, und, um nicht aus Versehen an einen Software- oder Druckerverkäufer zu geraten, schiebe ein „wer kann mir einen PC verkaufen?“ hinterher. Ein bürstenhaarschnittiges Blauhemd löst sich aus der Klönrunde. Lässig klopfe ich auf das Gehäuse des avisierten Geräts: FujitsuSiemens Scaleo P, Ausstellungsstück, 976 statt 1099 Euro. „Den hier“, ergänze ich. Nach knapper Einweisung wird das Gerät heruntergefahren, abgestöpselt und eingepackt (fürs Staubwischen reicht es leider nicht).

Kurze Zeit später stehe ich an der Kasse. Die Kassiererin schnattert mit der Besetzung des Info-Schalters und begrüßt einen zu spät kommenden Kollegen, während sie mich nebenbei abfertigt. Ich schleppe die ungefähr 30 Kilo wiegende Kiste zur Tür, die mir auf mein Bitten hin vom Security-Guy aufgehalten wird - wenigstens einer, der sich halbwegs zu benehmen weiß.

Später am Vormittag - der Brummer ist in Gang gesetzt (ja, schönes Teil, aber nicht gerade geräuschlos) - schlage ich noch einmal bei Saturn auf, gerate diesmal aber an einen anderen Verkäufer(-azubi möglicherweise), weil der Bürstenhaarschnitt gerade einem Boylie erklärt, weshalb an ein DSL-Modem nur ein PC angeschlossen werden kann und er einen Router braucht, wenn er mit zwei PCs online gehen will.

Meine erste Frage: „Da ist eine TV-Tuner-Karte eingebaut, Sender empfange ich zwar, höre aber keinen Ton. Muss ich da noch irgendwelche von den mitgelieferten Kabeln einstöpseln?“ - Nach dem DAU-Test (eingeschaltet, Lautsprecher angeschlossen, Sound aufgedreht etc.) und meinem Hinweis, dass die Systemklänge sehr wohl aus den Boxen quellen, erkennt der Verkäufer: „Dann muss das an der Software liegen. Kucken Sie doch mal unter Einstellungen oder so, da muss dann sicherlich noch etwas konfiguriert werden.“ [Richtige Antwort wäre gewesen: da ist ein Programmfehler, Sie müssen sich einen Patch herunterladen.“ ]

Zweite Frage: „Da sind vorne so schicke blaue Leuchten dran [s. Abb., © FSC], wie schaltet man die denn ein?“ - „Ist der PC denn angeschaltet?“ - Grrmpf! Na ja, ich arbeite ja selbst im Support, da fragt man halt immer erst einmal die naheliegenden Deppenfragen. „Ja, ist er natürlich. Leuchtet aber trotzdem nicht.“ Auch ein hinzugezogener Kollege weiß keine Antwort. Man rät mir, das Gehäuse aufzuschrauben und die Verbindungen zu checken. [Richtige Antwort wäre gewesen: „Im mittleren Loch, oberhalb der LED, ist ein Schalter, den man mit einer Kugelschreiberspitze betätigen kann.“]

Dritte Frage: „Haben Sie Partition Magic da?“ - „Das ist Software? Da wenden Sie sich bitte an den Kollegen dahinten.“ Der Kollege dahinten ist gerade mit dem EA-Games-Promotionheini zugange, bescheidet mir kurz, dass das gewünschte Programm nächste Woche wieder reinkäme und beantwortet meine Frage, ob ein ähnliches Programm vorrätig wäre, mit Kopfschütteln, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. [Richtige Antwort wäre vielleicht - ich begab mich dann zu Dussmann - gewesen: „Ja, nehmen Sie Acronis Disk Director Suite 10, das ist auch gut und kostet nur die Hälfte.“]

Was lernen wir daraus? Der Kunde ist nicht einmal dann König, wenn er hartnäckig Unsummen guten Geldes ausgeben will. Aber die Mehrwertsteuererhöhung kommt ja eh schon in 359 Tagen. Da dann der Konsum sowieso auf Null zusammenschnurren wird, lohnt es eigentlich schon jetzt nicht mehr, sich um die Konsumenten zu bemühen. Weiter so, Deutschland!

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