Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse

Undank ist der Welten Lohn

Das Postamt Die Postfiliale in der Moabiter Turmstraße hat anderen Filialen etwas voraus: einen zweiten Briefmarkenautomaten. Vermutlich, weil in einer Gegend, in der selbst Aldi Ladenlokale schließt, die Postbeamten Filialmitarbeiter nur noch Stütze auszahlen und gar nicht mehr zum Briefmarkenverkaufen kommen.

Heute Morgen hatten sich vor beiden Automaten Schlangen gebildet. Na gut, Schlängelchen. Blindschleichen. Aber so gewittrig wie das Wetter war auch mein Gemüt, und Leute, die vor mir stehen und ratlos auf den ungefähr 20 Knöpfen des anspruchsvollen Automaten herumdrücken, machen mich erst recht kribbelig.

Einer der Spezialisten vor mir hatte es inzwischen geschafft, eine Briefmarke zu 0,55 Euro und eine zu 0,90 Euro - wohin klebt man bitte 0,90 €? - auszuwählen und versuchte mangels Kleingeld nun, den Betrag mit seiner quietschgrünen Dresdner-Bank-EC-Karte zu berappen.

Magnetstreifen oben rechts, oben links, unten rechts, unten links - ich hatte genug Gelegenheit, festzustellen, dass das Wertplastik noch nicht mit einem Geldkartenchip ausgestattet war und daher vom Automaten verschmäht wurde. Nun kam das nächste Plastik an die Reihe - mit Geldkartenchip, aber ohne Guthaben. Bevor der sichtlich und zu Recht nervöser und nervöser werdende bebrillte Mitvierziger am Ende versuchen würde, einen Zwanzig-Euro-Schein in den Kartenschlitz einzuführen, schritt ich ein.

„So kommen wir hier nicht weiter. Ich geb’ Ihnen einen aus“, sprach ich souverän und zückte meine Geldkarte. Ich hatte irgendwann mal versehentlich 200 Euro Guthaben aufgeladen und bin seitdem beständig darauf bedacht, selbiges auf ein Normalmaß abschwellen zu lassen. Gnierrrk! Gnierrrk! machte der Automat und spie zwei Papierläppchen aus. Die Markenspende führte allerdings zu einem unwirschen „Was soll das denn jetzt“ und einem Blick, der an Boshaftigkeit und Blödheit dem typischen Kampfhundgesichtsausdruck nichts nachstand. „Hier, nehmen Sie, geht auf’s Haus!“ erklärte ich. „Welche Haus?“ - „Das große gelbe, in dem wir hier stehen.“

War das denn so schwer? Der in seinem Stolz verletzte arbeitslose Akademiker zog einen 20-Euro-Schein aus seiner Börse. „Da kann ich nicht drauf rausgeben. Lassen Sie’s gut sein. Freuen Sie sich, und machen Sie sich einen schönen Tag!“ Ich habe 1,45 € investiert, um die Wartezeit zu verkürzen und wollte mich nun wirklich nicht noch dafür rechtfertigen. „Der junge Mann schenkt Ihnen die Marken!“ erläuterte jemand weiter hinten in der Schlange dankenswerterweise. Endlich raffte es der Beschenkte, nahm seine Marken und zog davon. Sein Dankeschön wird vermutlich im Verkehrslärm untergegangen sein.

Auch der vor mir noch verbleibende Postkunde war etwas unsicher im Umgang mit dem Automaten. Halblaut brummelte er „Also, ich will jetzt Fünfundfünfziger...“, schaffte es aber ohne Fremdhilfe, das gewünschte Wertzeichen hervorzukitzeln.

Eine schöne Pointe wäre es jetzt natürlich gewesen, wenn ich jetzt irgend etwas falsch gemacht hätte oder der Automat kaputt gegangen wäre oder so. Ist aber nicht passiert. Aber wahrscheinlich habe ich wieder einmal € 2,20 auf einen Brief geklebt, der noch für € 1,45 befördert worden wäre.

Erfolglos. Gewollt. Zu recht.

Bei manchen Veranstaltungshinweisen im Stadtmagazin „Zitty“ fragt man sich, wieso diese überhaupt existieren. Nicht, weil das Event so abwegig ist - jedem Tierchen sein Plaisierchen -, sondern weil sich dann beim Besuch der Veranstaltung herausstellt, dass das Publikum ausnahmslos aus Freunden und Bekannten der Veranstalter besteht. Fast ausnahmslos, denn der irre geleitete Zittynutzer, der gehört ja nicht dazu - und kommt sich dann vor wie im falschen Film.

Beispiel: Eintrag „trash as trash can“ unter Sonstiges » Lesungen, Samstag Abend, 21 Uhr. Ort des Geschehens ist das irgendwie ganzheitliche Etabilssement „Propeller“ im Szenebezirk Friedrichshain daselbst. Etwa 20 Leute sind da, viel mehr passen auch nicht rein, man sitzt auf bunt zusammen gewürfelten Sesseln, Stühlen und Sofas, eine Bühne gibt es nicht. Zunächst ist alles wie bei den 25 anderen Lesebühnen auch, wenn man davon absieht, dass die Vortragenden sehr großes Vertrauen in die Raumakustik setzen und sich nicht einmal die Mühe machen, beim Vorlesen aufzustehen. Abwechselnd werden Strories vorgelesen, wobei der Schwerpunkt hier eher auf fiktionalen Kurzgeschichten liegt als den Millieu- bzw. Charakterstudien, wie sie bei Heim & Welt usw. vorgetragen werden.

Das Publikum raucht, als würde es dafür bezahlt, lacht an Stellen, wo ich es nicht verstehe, und natürlich nutzt eine Dame mit einer besonders lauten und durchdringenden Lache ihr Organ besonders oft. Nach der Pause wird mir dann einiges klarer: Da nämlich verlassen die Geschichten endgültig das Terrain der Allgemeinverständlichkeit und versinken in den trüben Fluten der Selbstreferentialität. In Form einer beispiellos schlechten, uninspirierten und plumpen Persiflage auf Hard-Boiled-Detektivstories suhlt sich der Vortragende in seiner literarischen Erfolglosigkeit und würzt zur Freude des informierten Teils des Publikums seinen Sermon mit Insiderwitzen und Anspielungen auf „Dichter“-Kollegen, Kleinstverlage und ein zu recht untergegangenes so genanntes Literaturcafé. War hier schon die Grenze der Erträglichkeit überschritten worden, so entfernte sich der daran anschließende Literat dann mit Siebenmeilenstiefeln von eben dieser, der Grenze nämlich, in dem er sich und seine Kollegen als Protagonisten einer wirren Story um literweise Bier trinkende Mitglieder einer Venezianischen Geheimloge auftreten ließ, in die er ungeschickt offenbar typische Äußerungen und Verhaltensweisen seiner Mitstreiter einbaute - wiederum zur Freude des Stammpublikums. Bei mir hingegen löste dies heftige Fluchtinstinkte aus, die ich rein höflichkeitshalber gerade noch bis zum Ende des Vortrages unterdrückte, dann aber um so eiliger das Weite suchte.

Jeder fängt klein an, und bei allen Lesebühnen gibt es Texte, die weniger für das Publikum als vielmehr für die Bühnenarbeiter selbst gedacht sind. Diese Texte haben aber meist nicht die epischen Ausmaße der trash-as-trash-can-Inhalte, und dürfte es wohl auch nicht vorkommen, dass gleich zwei Selbstbeweihräucherungsstückchen mit umgekehrten Vorzeichen hintereinander zum Vortrag gebracht werden. Hinzu kommt, dass bei den „großen“ Bühnen der Anteil des Publikums, der in keiner persönlichen Beziehung zu den Künstlern steht, wohl auch denjenigen der Insider und Mitbringsel bei weitem übertreffen dürfte.

Hoffnungsvollen Nachzüglern - Newcomer wäre das falsche Wort - sollte aber klar sein, dass sie mit Inhalten, die ihre eigene Erfolglosigkeit behandeln, und Texten, die nur sie selbst verstehen, nie nie nie niemals nicht Erfolg haben werden - sofern dieser denn überhaupt gewünscht ist, und man nicht sowieso bis auf weiteres nur seine eigene Clique bespaßen will. Dann sollte man aber konsequenterweise sich sämtliche Berühmtheitsambitionen verkneifen und darauf verzichten, einschlägigen Stadtmagazinen irreführende Veranstaltungshinweise zu geben.

Kleiner Tipp: für Frusttexte und Insiderwitzchen gibt es Weblogs. Wer sowas liest, hat selber schuld. Den Rest darf man vortragen - vielleicht gelingt dann doch noch der Sprung aus dem Mustopf. Ende der Durchsage.

Rührei mit Populismus

Die Kälte verschlug mich am Sonntag Vormittag in ein eigentlich zivil aussehendes Kaffeehaus nahe der Kreuzung Petersburger/ Greifswalder Straße. Ich bestellte Kaffee und Rührei und wartete, bis der - wie an seinen grauen Trainingshosen leider nur allzu deutlich erkennbare - inkontinente ältere Herr seine Frau in den Rollstuhl bugsiert und mit ihr zusammen das ungeräumige Etabilssement verlassen hatte. Der dann noch verbleibende einzige Gast war ein irgendwie ungesund aussehender Mittfünfziger auf einem Fensterplatz.

Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass auch dies kein echter Gast war, sondern ein Bekannter, Nachbar o.ä., denn während die Dame des Hauses die Rühreier briet, setzte sich der erkältete Wirt zu dem Mittfünfziger. Man sprach über dies und das. Der Wirt lobte die Arbeit der BSR, die ja mit der Beseitigung der Sylvesterreste doch recht gut voran gekommen sei. „Na, es gibt aber auch noch Straßen, wo es wie Sau aussieht,“ relativierte der Bekannte sogleich, „da sollten se mal die Arbeitslosen für einsetzen. Jeder zwei Stunden täglich, und im Nu ist das wieder sauber. Ist doch kein Wunder, dass es so viele gibt, denen geht`s viel zu gut. Da will ja keiner mehr arbeiten, die müssten auch mal was für ihre Rente tun.“

Oha. Insbesondere im Umfeld der Noch-Standorte der Unternehmen Samsung, JVC, O&K, Marlboro, Herlitz usw. dürften solcher Art Äußerungen sicherlich auf breite Zustimmung stoßen. Mal abgesehen davon, dass der ganze Dreck zwar vom Himmel gefallen ist, aber die Leute, die jetzt am Lautesten darüber meckern, vermutlich am stärksten zu seinem Entstehen beigetragen haben. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob er seine abgeschossenen Raketenreste selbst entsorgt hätte, bzw. ob er immer erwarten würde, dass man hinter ihm herräumt.

Auch dem Wirt waren diese Ansichten zu heikel, und er wechselte das Thema. Nun ging es um die Umzugs- und Renovierungspläne des offensichtlich im Besitz eines gutdotierten Postens befindlichen Reichsarbeitsdienstbefürworters. So konnte ich erfahren, dass sich der Unsympat einen elektrischen Kamin ins Schlafzimmer zu stellen geruht, 470 Euro für 70 Quadratmeter bezahlt, einen Balkon mit Schatten Vormittags und Sonne nachmittags habe, obwohls ihm umgekehrt lieber wäre, und in seiner jetzigen Wohnung sehr viel mit Holz ausgebaut habe, und er jetzt mal abwarten wolle, was die Hausverwaltung für das Herausreißen der Einbauten verlange. „Wenn die sagen: 500 Euro, dann sag ich natürlich: ist gut, und dann habe ich keine Sorgen mehr.“

Wahrlich, ein Herzchen. An seinem Opel Vectra würde vermutlich ein Aufkleber „Eure Armut kotzt mich an“ prangen, wenn er nicht vielzu spießig für so etwas wäre.

Uns geht es noch viel zu gut, oder: werden wir so Weltmeister?

Die zum Metro-Konzern gehörende Warenhaus-Kette „Kaufhof“ wächst und gedeiht, war verschiedentlich zu lesen. Man gönnt sich auf dem Alexanderplatz eine schicke Verkaufsflächenerweiterung, erfreut die Aktionäre mit üppigen Dividenden und ist alles in allem recht selbsgefällig.

Samstag, 07.01.06, kurz nach Ladenöffnung um 09.00 Uhr. Ich begebe mich zielstrebig in die EDV-Abteilung, in der festen Absicht, 999 Euro für einen neuen PC auszugeben. Ein kaufhoffracktragender Mann ist dabei, die ausgestellten Notebooks anzuschalten. Er hält dies für wichtiger, als sich danach zu erkunden, ob man mir weiter helfen könne. Nun ja. Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner. „Guten Morgen“, sage ich zu der Rückseite des Herrn. Die Rückseite verwandelt sich in eine Vorderseite. „Ich möchte entweder den „Deutschland-PC“ [blöder Name, aber das Ding heißt wirklich so] oder den HP-Desktop dahinten kaufen.“ - „Aha.“

Offensichtlich ist es ganz alltäglich, 1000 Euro Umsatz zu generieren. Ich bin etwas konsterniert ob der nicht wirklich euphorischen oder gar dienstbeflissenen Reaktion des Kaufhof-Mitarbeiters. Egal, weiter im Text. Schließlich kenne ich die Berliner Grumpfigkeit zur Genüge. „Welcher von denen ist denn leiser?“ - „Woher soll ich das wissen?“ Rumms, das saß. Ich kante zurück: „Verstehe, Sie sind hier nur für das Notebookeinschalten zuständig?“ - „Das habe ich so nicht gesagt.“, Ok, letzter Versuch. „So wie ich das sehe, ist der einzige Unterschied zwischen den PCs, dass beim HP so ein Personal Media Dock eingebaut ist und beim Deutschland-PC eine TV-Tuner-Karte, ist das richtig?“ - „Keine Ahnung,“ blafft der Nicht-Verkäufer, „ich bin aus der Fotoabteilung.“

Letzteres im Brustton der Überzeugung, dass die Fotoabteilung etwas besseres sei als die EDV-Abteilung, und das man ihm es wohl ansehen müsste, dass er in den Niederungen der PC-Kommunikation nur Gast ist. „Das kann ich doch nicht wissen!“ rufe ich fassungslos. „Wissen Sie was“, sage ich zu ihm, „ich kaufe meinen PC woanders.“ Eine weitere Unflätigkeit am frühen Morgen brauche ich nicht und vollziehe eine Hackenkehrtwendung - ab zu Saturn. Gehört zwar auch zur selben Schweinebande, aber die Sippenhaft ist ja abgeschafft.

Da es noch früh am Morgen ist, herrschen noch nicht die sonst ortsüblichen chaotischen Zustände vor, bei denen das Ergattern eines Fachverkäufers nur unter Ellenbogeneinsatz möglich ist. Saturn hat auch irgendwann mal erkannt, dass die dortige PC-Abteilung mit fünf Mitarbeitern keinesfalls überbelegt ist. Die stehen in trauter Runde und ratschen. Ich schmettere ein weiteres „Guten Morgen“, und, um nicht aus Versehen an einen Software- oder Druckerverkäufer zu geraten, schiebe ein „wer kann mir einen PC verkaufen?“ hinterher. Ein bürstenhaarschnittiges Blauhemd löst sich aus der Klönrunde. Lässig klopfe ich auf das Gehäuse des avisierten Geräts: FujitsuSiemens Scaleo P, Ausstellungsstück, 976 statt 1099 Euro. „Den hier“, ergänze ich. Nach knapper Einweisung wird das Gerät heruntergefahren, abgestöpselt und eingepackt (fürs Staubwischen reicht es leider nicht).

Kurze Zeit später stehe ich an der Kasse. Die Kassiererin schnattert mit der Besetzung des Info-Schalters und begrüßt einen zu spät kommenden Kollegen, während sie mich nebenbei abfertigt. Ich schleppe die ungefähr 30 Kilo wiegende Kiste zur Tür, die mir auf mein Bitten hin vom Security-Guy aufgehalten wird - wenigstens einer, der sich halbwegs zu benehmen weiß.

Später am Vormittag - der Brummer ist in Gang gesetzt (ja, schönes Teil, aber nicht gerade geräuschlos) - schlage ich noch einmal bei Saturn auf, gerate diesmal aber an einen anderen Verkäufer(-azubi möglicherweise), weil der Bürstenhaarschnitt gerade einem Boylie erklärt, weshalb an ein DSL-Modem nur ein PC angeschlossen werden kann und er einen Router braucht, wenn er mit zwei PCs online gehen will.

Meine erste Frage: „Da ist eine TV-Tuner-Karte eingebaut, Sender empfange ich zwar, höre aber keinen Ton. Muss ich da noch irgendwelche von den mitgelieferten Kabeln einstöpseln?“ - Nach dem DAU-Test (eingeschaltet, Lautsprecher angeschlossen, Sound aufgedreht etc.) und meinem Hinweis, dass die Systemklänge sehr wohl aus den Boxen quellen, erkennt der Verkäufer: „Dann muss das an der Software liegen. Kucken Sie doch mal unter Einstellungen oder so, da muss dann sicherlich noch etwas konfiguriert werden.“ [Richtige Antwort wäre gewesen: da ist ein Programmfehler, Sie müssen sich einen Patch herunterladen.“ ]

Zweite Frage: „Da sind vorne so schicke blaue Leuchten dran [s. Abb., © FSC], wie schaltet man die denn ein?“ - „Ist der PC denn angeschaltet?“ - Grrmpf! Na ja, ich arbeite ja selbst im Support, da fragt man halt immer erst einmal die naheliegenden Deppenfragen. „Ja, ist er natürlich. Leuchtet aber trotzdem nicht.“ Auch ein hinzugezogener Kollege weiß keine Antwort. Man rät mir, das Gehäuse aufzuschrauben und die Verbindungen zu checken. [Richtige Antwort wäre gewesen: „Im mittleren Loch, oberhalb der LED, ist ein Schalter, den man mit einer Kugelschreiberspitze betätigen kann.“]

Dritte Frage: „Haben Sie Partition Magic da?“ - „Das ist Software? Da wenden Sie sich bitte an den Kollegen dahinten.“ Der Kollege dahinten ist gerade mit dem EA-Games-Promotionheini zugange, bescheidet mir kurz, dass das gewünschte Programm nächste Woche wieder reinkäme und beantwortet meine Frage, ob ein ähnliches Programm vorrätig wäre, mit Kopfschütteln, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. [Richtige Antwort wäre vielleicht - ich begab mich dann zu Dussmann - gewesen: „Ja, nehmen Sie Acronis Disk Director Suite 10, das ist auch gut und kostet nur die Hälfte.“]

Was lernen wir daraus? Der Kunde ist nicht einmal dann König, wenn er hartnäckig Unsummen guten Geldes ausgeben will. Aber die Mehrwertsteuererhöhung kommt ja eh schon in 359 Tagen. Da dann der Konsum sowieso auf Null zusammenschnurren wird, lohnt es eigentlich schon jetzt nicht mehr, sich um die Konsumenten zu bemühen. Weiter so, Deutschland!

Absolut total unzufrieden

Autorreifen sind schwarz, rund und haben ein Loch in der Mitte, wo die Felge reinkommt. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Es gibt Sommerreifen, Winterreifen, Noträder, Rallyereifen, Energiesparreifen, Breitreifen, Reifen für Alufelgen und und und. Und: das in zigtausend verschiedenen hochgradig kryptisch benannten Größen. Ich weiß jedenfalls nicht, wofür "155/65 R 14 75 T" steht. Aber dafür gibt es ja Fachleute, sollte man meinen; Fachleute, die bei vorgelegtem Fahrzeugschein dann auch dazu in der Lage sind, (m)einem Twingo die richtigen Winterstiefel anzuziehen.

Weil Auto noch verhältnismäßig neu, Versicherung zickig und überhaupt Vorsicht Porzellankistenmutter, ich also letzte Woche zu ATU in der Köpenicker Straße gefahren. Morgens hingebracht, abends abgeholt, 348 Kronen gelöhnt und dann noch schwitzend die Sommerreifen in den Keller verbracht. "So!" dachte ich, "der Winter kann kommen."

Dieser Herr war wohl auch bei ATU. Was dann kam, war eine ganz banale Kurve. Und ein komisches Geräusch: schrappschrappschrapp. Äh? War doch vorher nicht da? Na, egal. Was solls. Sobald ich wieder geradeaus fuhr, war das Geschrappe weg, war wohl doch nicht so wichtig. In der nächsten Kurve dann jedoch wieder schrappschrappschrapp. Das beunruhigte mich nun doch, und messerscharf stellte ich eine Kausalverbindung her: Geräusch durch neue Winterreifen.

Man hat ja sonst nichts zu tun, und die Köpenicker Straße liegt ja auch in einer extra kuscheligen Gegend, da ist es doch ein Quell steter Freude, da noch einmal hinzuschrappschrappschrappen und bewaffnet mit Fahrzeugschein und Rechnung auf das Geräusch der Woche hinzuweisen. Der Mensch am Thresen nimmts locker und die Auftragsverwaltungssoftware in den Augenschein: "Ach, ich weiß, da ist der Kollege in der Zeile verrutscht. Sehen Sie, der hat aus Versehen 165/70 R 15 ausgewählt. Das ist natürlich ein bisschen zu groß für den Twingo."

Ganz toll.

Man muss diesem Rotkittel zu Gute halten, dass er nach etwas fadenscheinigen Rechtfertigungen à la Hektik und "kann mal passieren, sollte zwar nicht, aber niemand ist unfehlbar etc." sich entschuldigt und dafür sorgt, dass mein Auto als nächstes in die Werkstatt kommt. Dafür macht nicht nur die zickige Kassiererin den Eindruck wieder zunichte, indem sie mit einer derartig impertinenten Pampigkeit den Auftrag storniert, als wäre es meine Schuld, wenn ihr Kollege des Lesens nicht so ganz kundig ist. Auch, dass ich nach über einer Stunde Wartezeit das Auto noch nicht mit neuen richtigen Reifen wieder mitnehmen kann, erhöht meine Begeisterung nicht gerade. Aber dass es dann noch nicht einmal für die kleinste Geste der Kulanz reicht, sei es ein Giveaway oder ein kleiner Preisnachlass - das ist wirklich schwach.

Letzten Endes habe ich dann gegenüber Renault-Werkstatt-Preisen ca. 60 Euro gespart. Macht man aber eine Kotzen-Nutzen-Rechnung auf, die den Zeitverlust und das ärgerliche Hin und Her berücksichtigt, wäre ich bei einer anderen Werkstatt wohl besser gefahren.

Sie sind nicht angemeldet