Erfolglos. Gewollt. Zu recht.
Bei manchen Veranstaltungshinweisen im Stadtmagazin „Zitty“ fragt man sich, wieso diese überhaupt existieren. Nicht, weil das Event so abwegig ist - jedem Tierchen sein Plaisierchen -, sondern weil sich dann beim Besuch der Veranstaltung herausstellt, dass das Publikum ausnahmslos aus Freunden und Bekannten der Veranstalter besteht. Fast ausnahmslos, denn der irre geleitete Zittynutzer, der gehört ja nicht dazu - und kommt sich dann vor wie im falschen Film.
Beispiel: Eintrag „trash as trash can“ unter Sonstiges » Lesungen, Samstag Abend, 21 Uhr. Ort des Geschehens ist das irgendwie ganzheitliche Etabilssement „Propeller“ im Szenebezirk Friedrichshain daselbst. Etwa 20 Leute sind da, viel mehr passen auch nicht rein, man sitzt auf bunt zusammen gewürfelten Sesseln, Stühlen und Sofas, eine Bühne gibt es nicht. Zunächst ist alles wie bei den 25 anderen Lesebühnen auch, wenn man davon absieht, dass die Vortragenden sehr großes Vertrauen in die Raumakustik setzen und sich nicht einmal die Mühe machen, beim Vorlesen aufzustehen. Abwechselnd werden Strories vorgelesen, wobei der Schwerpunkt hier eher auf fiktionalen Kurzgeschichten liegt als den Millieu- bzw. Charakterstudien, wie sie bei Heim & Welt usw. vorgetragen werden.
Das Publikum raucht, als würde es dafür bezahlt, lacht an Stellen, wo ich es nicht verstehe, und natürlich nutzt eine Dame mit einer besonders lauten und durchdringenden Lache ihr Organ besonders oft. Nach der Pause wird mir dann einiges klarer: Da nämlich verlassen die Geschichten endgültig das Terrain der Allgemeinverständlichkeit und versinken in den trüben Fluten der Selbstreferentialität. In Form einer beispiellos schlechten, uninspirierten und plumpen Persiflage auf Hard-Boiled-Detektivstories suhlt sich der Vortragende in seiner literarischen Erfolglosigkeit und würzt zur Freude des informierten Teils des Publikums seinen Sermon mit Insiderwitzen und Anspielungen auf „Dichter“-Kollegen, Kleinstverlage und ein zu recht untergegangenes so genanntes Literaturcafé. War hier schon die Grenze der Erträglichkeit überschritten worden, so entfernte sich der daran anschließende Literat dann mit Siebenmeilenstiefeln von eben dieser, der Grenze nämlich, in dem er sich und seine Kollegen als Protagonisten einer wirren Story um literweise Bier trinkende Mitglieder einer Venezianischen Geheimloge auftreten ließ, in die er ungeschickt offenbar typische Äußerungen und Verhaltensweisen seiner Mitstreiter einbaute - wiederum zur Freude des Stammpublikums. Bei mir hingegen löste dies heftige Fluchtinstinkte aus, die ich rein höflichkeitshalber gerade noch bis zum Ende des Vortrages unterdrückte, dann aber um so eiliger das Weite suchte.
Jeder fängt klein an, und bei allen Lesebühnen gibt es Texte, die weniger für das Publikum als vielmehr für die Bühnenarbeiter selbst gedacht sind. Diese Texte haben aber meist nicht die epischen Ausmaße der trash-as-trash-can-Inhalte, und dürfte es wohl auch nicht vorkommen, dass gleich zwei Selbstbeweihräucherungsstückchen mit umgekehrten Vorzeichen hintereinander zum Vortrag gebracht werden. Hinzu kommt, dass bei den „großen“ Bühnen der Anteil des Publikums, der in keiner persönlichen Beziehung zu den Künstlern steht, wohl auch denjenigen der Insider und Mitbringsel bei weitem übertreffen dürfte.
Hoffnungsvollen Nachzüglern - Newcomer wäre das falsche Wort - sollte aber klar sein, dass sie mit Inhalten, die ihre eigene Erfolglosigkeit behandeln, und Texten, die nur sie selbst verstehen, nie nie nie niemals nicht Erfolg haben werden - sofern dieser denn überhaupt gewünscht ist, und man nicht sowieso bis auf weiteres nur seine eigene Clique bespaßen will. Dann sollte man aber konsequenterweise sich sämtliche Berühmtheitsambitionen verkneifen und darauf verzichten, einschlägigen Stadtmagazinen irreführende Veranstaltungshinweise zu geben.
Kleiner Tipp: für Frusttexte und Insiderwitzchen gibt es Weblogs. Wer sowas liest, hat selber schuld. Den Rest darf man vortragen - vielleicht gelingt dann doch noch der Sprung aus dem Mustopf. Ende der Durchsage.