Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse
Freitag, 3. Januar 2003

Polemik: Winter-"Urlaub" in Dänemark

Dänische Ferienhausvermieter haben den Winter zum Sommer erklärt: da es offenbar genug dumme Deutsche gibt, denen im Winter nichts Besseres einfällt, ihren Aufenthaltsort merklich näher an den Nordpol zu verlegen, gelten zwischen Weihnachten und Neujahr Hauptsaisonpreise. Unter 250 Euro pro Woche, mit nach oben offener Preisskala, ist keine Hütte zu kriegen.

Man "genießt" die kurzen Tage. Falls es zufällig hell werden sollte, dann nicht vor halb zehn morgens, aber dafür ist um 16 Uhr auch schon wieder finstere Nacht. Die Übergänge sind fließend. Da sich meist dicke Wolken vor die Sonne schieben, aus denen bevorzugt Schneeregen oder Regen, aber nur selten wirklich spaßiger Pulverschnee fällt, kommen die Tage oft genug nicht über ein diffuses Vor-sich-hin-dämmern heraus.

Verständlich. Bei den vorherrschenden Farben der sog. Landschaft - grau und braun in vielfltigen Schattierungen, aber sonst eher farblos - möchte man es dem Tag gleich tun und ebenfalls weiterdämmern. Das Rausgehen in die eintönige, waldfreie, von Agrarnutzflächen dominierte und hier und da durch Gehöfte mit angeschlossener Nerzfarm bzw. sonstigen Vieh-KZs aufgelockerte Landschaft lohnt also nicht, verbietet sich aber sowieso - wegen des Wetters: entweder es regnet in Strömen, oder es stürmt, oder es ist so kalt, dass einem der Rotz in der Nase gefriert.

Als Alternative zum Wachkoma bietet sich eine Zeitgestaltung im Rhythmus Fressen - Schlafen - Fressen - Schlafen - Fressen - Schlafen an. So muss sich ein Haustier vorkommen, das den ganzen Tag eingesperrt ist. Aufgelockert werden kann dieser Rhythmus einzig durch die Zufuhr ungesunder Mengen alkoholischer Getränke.

Hieraus ergibt sich ein weiteres Problem. Die dänische Preisgestaltung nämlich. Die Dänen haben bislang dem Euro entsagt, dort bezahlt man weiterhin mit Geldstücken mit Loch in der Mitte bzw. überraschend scheußlichen Scheinen. Dabei ist die Krone im Vergleich zur paneuropäischen Panikwährung verblüffend stark. Wer schon immer mal über 2 Euro für einen Liter Vollmilch ausgeben oder sechs Euro für eine lumpige Tafel Schokolade bezahlen wollte, hat bei den zahlreichen Dorf-Kaufmannsläden gute Gelegenheit hierzu.

Sparsamere Geister erhoffen sich moderatere Preise in den Einkaufsläden in sogenannten größeren Städten (d.h. 25.000 Einwohner aufwärts), werden jedoch beim Betreten der ortsüblichen Supermärkte namens Brugsen oder Kvickly eines Besseren belehrt. Auch hier kostet das eingeschweißte Schwarzbrot umgerechnet drei Euro (was bei uns für 99 Cent in den Regalen liegt), auch hier lassen sich die Alkoholpreise paradoxerweise nur im Vollrausch ertragen (Sechserpack Bier 5 Euro, na - wir haben es ja). Daneben gibt es außer den auch hier bekannten Discountern Netto und Aldi noch Rema 1000 und Eurospar, aber die Mühe lohnt auch nicht wirklich.

Während die Dänen überdurchschnittlich gut zu verdienen scheinen und jeden Tag in ihren kleinstädtischen Fußgängerzonen verbringen, um ordentlich die heimische Wirtschaft anzukurbeln, bleibt dem Touristen beim Umrechnen die Luft weg. Sowieso gibt es ein Überangebot an Klamottenläden - die Dichte "ein Bekleidungsgeschäft auf 50 Meter" in den Einkaufsparadiesen ist sicherlich nicht zu hoch gegriffen. Im Ausverkauf (Frit Valg) kann man dann zwei Pullover zum Preis von einem erstehen, wobei der Sonderpreis dann immer noch bei umgerechnet 60 Euro liegt. Verzichte dankend. Geradezu aberwitzig sind die Preise von Schuhen, Haushaltsgeräten, Unterhaltungselektronik oder dänischen Design-Artikeln. Shopping als Zeitvertreibsalternative kommt nur für Urlauber in Frage, die zuhause das Finanzamt betrügen oder zu den Absahnern der New Economy zählten (ein paar soll es ja gegeben haben).

Überhaupt die Dänen. An jeder Ecke und auf allem, was sich irgendwie bedrucken, besticken, anmalen oder sonstwie rot-weiß färben lässt, grinst einem der Danebrog, die dänische Nationalfahne entgegen. Eine Tankstellenkette heißt übersetzt "Fahre Dänisch" (kør dansk). Es gibt Dansukker, Danfoss, Dandies, Dandas - jeder Unternehmer, der etwas auf sich hält, benennt seine Zweimannklitsche dänisch-national. Man stelle sich den Aufschrei der zwanghaft politisch Korrekten vor, wenn es plötzlich hierzulande eine Benzinmarke "Deutsch Fahren" gäbe, die Bundesfarben so inflationär verspritzt würden wie im Königreich über Schleswig-Holstein oder außer ehemaligen Staatsunternehmen noch mehr Firmen auf die Idee kämen, laut und deutlich im Namen das Land herauszubrüllen, in dem sie keine Steuern bezahlen. Die Dänen hingegen dürfen das.

Kein Wunder also, dass die dänischen Kryptofaschisten so prominent im Parlament vertreten sind und die Gesetze deutlich die Sprache der Xenophobie sprechen. Die Dänen mögen sich im Sommer überrollt von der Flutwelle deutscher Badetouristen vorkommen - im Winter lassen sie dafür ihre Abneigung allem Nicht-Dänischen gegenüber freien Lauf. Schon ihre Sprache ist fremdenfeindlich. Gedrucktes und Geschriebenes lässt sich gerade noch so übersetzen. Sobald ein Däne jedoch den Mund aufmacht, quellen dort unartikulierte Laute ohne Punkt, Komma und Konturen heraus. Es ist ein Wunder, dass Dänen (sofern sich welche begegnen, was außerhalb der Ballungsräumchen dank der dünnen Besiedelung so gut wie nie passiert) sich überhaupt untereinander verstehen.

So wenig Spaß - für so viel Geld. Zu der teuren Miete für mehr oder weniger winzige Ferienhäuser kommt am Ende des sogenannten Urlaubs noch ein dreimal so hoher Batzen für den Stromverbrauch. Dänische Ferienhäuser sind grundsätzlich mit Heizgeräten ausgestattet, die unglaubliche Mengen Strom (Elektrizität) verschlingen, um mit einem sensationell geringen Wirkungsgrad ein verblüffend schlechtes Raumklima zu erzeugen. Hinzu kommt der E-Herd, der konsequente Verzicht auf Energiesparlampen - statt dessen ein Faible für Beleuchtungskörper, bei denen mindestens drei 60-Watt-Glühbirnen in jede denkbare Richtung vor sich hin strahlen, nur nicht dorhin, wo das Licht gebraucht wird - sowie weitere geschickt im Haus der Luxuskategorie verteilte Stromfresser: Dunstabzugshaube, auf Stand-By vor sich hin brutzelnde TV-Geräte, Radios, Satellitenantennen etc. Da die Dänen zu viel Strom haben - bei der Landschaftsbeschreibung habe ich jetzt doch glatt die hervorstechendsten Landschaftsmerkmale, die abertausenden Windräder, vergessen - kann das 5-Millionen-Völkchen wohl unbeschwert mit der Energie herumasen. Den dummen Touristen wird dann die Quersubvention der Verschwendungssucht aufs Auge gedrückt: Mit 24 Cent/kwH ist man dabei.

Fazit: Dänemark im Winter ist genau das richtige Land für einen ziemlich beschissenen Urlaub. Wie es im Sommer ist, weiß ich nicht. Aber wohl auch nicht besser. Nur anders. Wenn die Fauna, die noch nicht totgeschossen oder überfahren wurde - alle Dänen jagen und/oder fahren sehr seltsam Auto -, aus dem Winterschlaf erwacht, kommt wahrhaftig Leben in die Bude. Die hohe Anzahl von Fliegenklatschen in der diesjährigen Ferienunterkunft (pro Zimmer eine) verheißt jedenfalls nichts Gutes.

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