Ersatzhandlungen und Leerlaufprozesse
Montag, 5. Dezember 2005

Weihnachten in Rixdorf

Der Rixdorfer Weihnachtsmarkt ist eine traditionsreiche Veranstaltung. Alljährlich pilgern tausende Berliner in die Altstadt Neuköllns, um sich an Glühwein zu laben, politisch korrektes Kunsthandwerkszeug und integrative Basteleien zu kaufen. Interessanterweise hat das Wetter nur wenig Einfluss auf die Wirkung des Marktes als Publikumsmagnet. Selbst bei niesgrauem Regenhimmel schieben die Massen sich bzw. ihre Kinderwagen um den Richardplatz, so dass weihnachtliche Besinnlichkeit nicht so recht aufkommen mag.

Anders als in den letzten Jahren gibt es dieses Jahr jedoch durchaus Atemlöcher im Monolith weihnachtswütiger Leiber. Auffällige Leere herrscht an Ständen, die Wurst, Nackensteak oder ähnliche fleischliche Genüsse versprechen, und auch an die indische Hühnchenpfanne oder das asiatische Feuerfleich trauen sich deutlich weniger Konsumenten heran. Bei der Hühnchenpfanne (Selbstversuch) muss ich sagen: zu recht. Unförmige Fleischbatzen, zwar Knochen- aber nicht sehnenfrei, lassen bei mir sogleich die weniger angenehmen Erinnerungen an meine Usbekistan-Exkursion aufkeimen. Nun denn, solange nichts anderes aufkeimt.

Was man hingegen nahezu vergeblich sucht, sind Crêpe-Stände. Waffeln ja, Marzipankartoffeln ja, Kürbissuppe mit Käsebällchen ja, aber Crêpe? Zwar keine Fehl-, aber doch zumindest Mangelanzeige. Ein ganzer Stand ist ausfindig zu machen, der von eher unprofessionellem Personal bedient wird, das trotz länglicher Schlangen nur zwei der vier Platten in Betrieb hat und entweder zentimeterdicke oder ausgefranste Eierkuchen bäckt. Aufgrund der Monopolstellung erfreuen sich die Crêpes dennoch reißenden Absatzes, dies auch ungeachtet der üppigen Preise - Zimt+Zucker 2 Euro, Schokolade, Apfelmus oder Konfitüre 2,50 Euro. Ich bin eigentlich kein Dehmarkumrechner, aber 4-5 DM für ein lappiges Etwas, das nach drei Bissen weg ist, und dies bei den erstaunlich niedrigen Preisen für die verwendeten Rohstoffe, verspricht Gewinnmargen, die dem Drogenhandel nur wenig nachstehen dürften.

Mit Drogen wird nicht gehandelt, jedenfalls nicht offensichtlich1, aber bei einigen Standbetreibern kommt schon der Verdacht auf, dass es sich dabei möglicherweise um Tarnorganisationen handeln könnte, die zu finsteren Zwecken dienen als dem Einnehmen von Geld für wohltätige Zwecke. Könnte nicht auch ein Geheimdienst hinter dem "Verband koreanischer Krankenschwestern" stehen? Hat man jemals zuvor etwas von einem "USE e.V." gehört? Ist die "Friendship Force" am Ende eine schlagende Verbindung? Und was genau bezweckt die "Neuköllner Bürgerstiftung"? Fragen über Fragen, wobei ich hier natürlich niemandem etwas an den Kessel flicken will. Schließlich ist ja bald Weihnachten2.

1) Purlitzerpreisverdächtige Überleitung, nicht wahr? Ulrich Wickert nichts dagegen. 2) Ich unterstelle den genannten Organisationen keinesfalls sinistre Machenschaften und zweifle deren Rechtschaffenheit nicht an.
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