Es tut sich was in Deutschland, das bekanntlich ja Du bist. Ja, Du auch. Und Du? Na, ich weiß ja nicht. Vielleicht eher weniger.
Was tut sich? Die Regierung? Die tut nichts. Die will nur spielen. Nein, die Sprache, die tut sich laufend wandeln. Zum einen nimmt inflationär die Deppen Auseinanderschreibung überhand. Nach dem Unterschichtengenitiv (Conny's Bierschwemme) hat es jetzt die gute alte Tugend des Wörterzusammensetzens erwischt: Hip ist, wer trennt und nicht mal mehr einen Strich setzt. Als nächster Anglizismus wird da aus dem Medieninformatikstudenten der Medieninformatik Student, da kauft mann seinen Weihnachtsbaum (Weihnacht's Baum?) im Tannen-Glück Discount, und der Spätverkauf um die Ecke, an dem ich vorbeikomme, wenn ich vom Berliner Back Discount komme, bietet Hunde und Katzen Futter (ebda.) feil. Was ein Glück, dass ich noch kein Hartz IV Empfänger bin und mich über derartige Luxus Problemchen echauffieren kann.
Tröstlich ist es auf der anderen Seite, dass neben Reformstau, Rennzwergen und Sozialschmarotzern auch schöne neue Worte stillschweigend in die Wortschatztruhe gelegt werden.
Heizpilz ist so ein Wort, und wer es noch nicht wusste: Ein Heizpilz ist kein explodierender Hefepilz, kein aberwitzig getunter Kleinwagen, keine Verhohnepiepelung eines Atompilzes und auch kein Magic Mushroom, (an dieser Stelle ein herzliches "Hallo" an die Google-Stichwortsucher mit ganz anderen Interessen), nein, als Heizpilz werden nicht mehr nur irgendwelche bizarren Laborgeräte bezeichnet, sondern inzwischen auch völlig selbstverständlich diese propangasbefeuerten Zwitterwesen aus Straßenlaterne und Katalytofen, die es dekadenten Hauptstadtbewohnern ermöglichen, ihren arroganten Cocktail auch bei winterlichen Temperaturen noch draußen sitzend zu schlürfen. (Anstatt froh zu sein, dass wir hier noch echte Winter haben - wer weiß, wie lange noch! Klimaerwärmung lässt grüßen.)
Der Rixdorfer Weihnachtsmarkt ist eine traditionsreiche Veranstaltung. Alljährlich pilgern tausende Berliner in die Altstadt Neuköllns, um sich an Glühwein zu laben, politisch korrektes Kunsthandwerkszeug und integrative Basteleien zu kaufen. Interessanterweise hat das Wetter nur wenig Einfluss auf die Wirkung des Marktes als Publikumsmagnet. Selbst bei niesgrauem Regenhimmel schieben die Massen sich bzw. ihre Kinderwagen um den Richardplatz, so dass weihnachtliche Besinnlichkeit nicht so recht aufkommen mag.
Anders als in den letzten Jahren gibt es dieses Jahr jedoch durchaus Atemlöcher im Monolith weihnachtswütiger Leiber. Auffällige Leere herrscht an Ständen, die Wurst, Nackensteak oder ähnliche fleischliche Genüsse versprechen, und auch an die indische Hühnchenpfanne oder das asiatische Feuerfleich trauen sich deutlich weniger Konsumenten heran. Bei der Hühnchenpfanne (Selbstversuch) muss ich sagen: zu recht. Unförmige Fleischbatzen, zwar Knochen- aber nicht sehnenfrei, lassen bei mir sogleich die weniger angenehmen Erinnerungen an meine Usbekistan-Exkursion aufkeimen. Nun denn, solange nichts anderes aufkeimt.
Was man hingegen nahezu vergeblich sucht, sind Crêpe-Stände. Waffeln ja, Marzipankartoffeln ja, Kürbissuppe mit Käsebällchen ja, aber Crêpe? Zwar keine Fehl-, aber doch zumindest Mangelanzeige. Ein ganzer Stand ist ausfindig zu machen, der von eher unprofessionellem Personal bedient wird, das trotz länglicher Schlangen nur zwei der vier Platten in Betrieb hat und entweder zentimeterdicke oder ausgefranste Eierkuchen bäckt. Aufgrund der Monopolstellung erfreuen sich die Crêpes dennoch reißenden Absatzes, dies auch ungeachtet der üppigen Preise - Zimt+Zucker 2 Euro, Schokolade, Apfelmus oder Konfitüre 2,50 Euro. Ich bin eigentlich kein Dehmarkumrechner, aber 4-5 DM für ein lappiges Etwas, das nach drei Bissen weg ist, und dies bei den erstaunlich niedrigen Preisen für die verwendeten Rohstoffe, verspricht Gewinnmargen, die dem Drogenhandel nur wenig nachstehen dürften.
Mit Drogen wird nicht gehandelt, jedenfalls nicht offensichtlich1, aber bei einigen Standbetreibern kommt schon der Verdacht auf, dass es sich dabei möglicherweise um Tarnorganisationen handeln könnte, die zu finsteren Zwecken dienen als dem Einnehmen von Geld für wohltätige Zwecke. Könnte nicht auch ein Geheimdienst hinter dem "Verband koreanischer Krankenschwestern" stehen? Hat man jemals zuvor etwas von einem "USE e.V." gehört? Ist die "Friendship Force" am Ende eine schlagende Verbindung? Und was genau bezweckt die "Neuköllner Bürgerstiftung"? Fragen über Fragen, wobei ich hier natürlich niemandem etwas an den Kessel flicken will. Schließlich ist ja bald Weihnachten2.
Ihc shcreibe dauernd komishce Wörter, die serbokratishc aussehen. Ihc glaube, ihc muss auf meiner Tastatur mal die Tasten vertaushcen.